3D-Druck – Chance für eine nachhaltige Zukunft?

Von der Prototyp-Fertigung hin zum ökologischen Hausbau – die 3D-Druck-Technologie kommt nicht mehr nur in der industriellen Fertigung zum Einsatz, sondern eröffnet zukünftig auch neue Möglichkeiten für die Medizin, Lebensmittelherstellung und Weiterverarbeitung recycelter Rohstoffe. Welche Anwendungsfelder des 3D-Drucks an Bedeutung gewinnen und inwiefern diese zu einer nachhaltigeren Zukunft beitragen können, beleuchten wir in diesem Beitrag.

Additive Verfahren – umgangssprachlich häufig als 3D-Druck bezeichnet – wurden erstmals in den 80er-Jahren für Prototypen in der Automobilindustrie eingesetzt. Seither wurden sie in puncto Qualität, Genauigkeit und Geschwindigkeit stets weiterentwickelt und auch preislich zunehmend erschwinglich. Heute gehört die additive Fertigung daher zu den bedeutendsten technischen Innovationen. Laut einer Studie von Learnbonds könnte der 3D-Druck-Markt bis 2024 von gut 16 auf 40,8 Milliarden Dollar wachsen. Denn aufgrund der hohen Individualisierbarkeit kommt 3D-Druck in immer vielfältigeren Anwendungsbereichen zum Einsatz. Doch zunächst ist es hilfreich, die Technik hinter dem 3D-Druck zu verstehen.

Wie funktioniert der 3D-Druck?

Unter additiver Fertigung versteht man die Produktion eines dreidimensionalen Objekts, das mithilfe eines CAD-Programms entworfen wurde. Hierfür kommen unterschiedliche Verfahren zum Einsatz:

  1. Pulverbasierte Verfahren: Hierbei wird Pulver, z.B. aus Kunststoff oder Metall, mit einem Laser in eine vorgegebene Form geschmolzen oder chemisch verklebt.
  2. Extrusions-Verfahren: Beim physikalischen Extrusions-Verfahren werden thermoplastische Kunststoffe geschmolzen, extrudiert und abgelegt. Bei der chemischen Alternative wechseln flüssige Stoffe durch eine chemische Reaktion in den festen Zustand.
  3. PP-Verfahren (Photopolymerisation): Flüssige Photopolymere, also lichtempfindliche Kunstharze, werden punkt- oder schichtweise mithilfe von UV-Licht gehärtet.

Anwendungsbereiche

3D-Druck wird aktuell vorwiegend für die Produktentwicklung (Rapid Prototyping), die Produktion (Rapid Tooling), den Modellbau und die Medizin eingesetzt. Im Folgenden stellen wir Ihnen insbesondere die Anwendungsbereiche vor, in denen 3D-Druck zu positiven ökologischen oder sozialen Entwicklungen beitragen kann.

Recycling und Circular Economy

Es gibt vielfältige Möglichkeiten, Abfälle mithilfe von 3D-Druck zu recyceln. So werden in Amsterdam beispielsweise Sitzgelegenheiten für öffentliche Plätze aus Plastikmüll gedruckt. Auch Weizen- oder Kaffeeabfälle können zu Biokunststoffen weiterverarbeitet und für 3D-Filamente genutzt werden. Ein weiteres spannendes Projekt ist die Herstellung von biologisch abbaubarem Druckharz aus gebrauchtem Frittieröl.

Gerade für kleine Stückzahlen ist die flexible, dezentrale Produktion ein großer Vorteil. Der 3D-Druck ermöglicht die individuelle Anfertigung von Ersatzteilen und damit die schnelle Reparatur defekter Geräte. So kann deren Lebenszyklus verlängert und eine frühzeitige Entsorgung vermieden werden. Seit der Coronakrise hat die Unabhängigkeit von globalen Lieferketten und Lieferengpässen sogar noch mehr an Bedeutung gewonnen.

Die additiven Verfahren verursachen im Vergleich zu substraktiven Verfahren, also der Zerspanung durch Fräsen oder Bohren, meist weniger Materialabfall. Jedoch besteht gerade beim pulverbasierten Druck noch Verbesserungsbedarf: Hier bleibt bis zu 50% des eingesetzten Materials ungenutzt. Doch auch hierfür wird bereits an Lösungen zum Pulver-Recycling gearbeitet.

Persönlicher Gebrauch

3D-Drucker könnten zukünftig auch den Weg in private Haushalte finden. Die „open source“ Verfügbarkeit von Vorlagen im Internet macht es theoretisch schon jetzt möglich, vielfältige Produkte flexibel nach Bedarf zu Hause zu produzieren – ob Rohrzange oder zum Anzug passende Krawatte. Dies reduziert die Notwendigkeit für große Lagerbestände in Geschäften sowie die damit verbundenen Transportwege und ermöglicht so die Einsparung von CO2-Emissionen. Gleichzeitig bieten sich dem Nutzer dank 3D-Druck unendliche Gestaltungsmöglichkeiten und Unabhängigkeit von herkömmlichen Produkten oder Größen. Einsteigermodelle der Drucker sind aktuell schon ab 100€ für den Endverbraucher erhältlich.

Lebensmittel

Die Beliebtheit von Fleischalternativen macht auch vor der 3D-Druck-Branche keinen Halt: Verschiedene Start-ups arbeiten mithilfe von additiven Verfahren an der Entwicklung von Fleischersatzprodukten. Hierfür kommen beispielsweise Stammzellen oder pflanzliche Proteine zum Einsatz. So könnten weitere Alternativen für den Fleischkonsum geschaffen und damit dessen ökologische Folgen reduziert werden. Denn allein der Konsum eines Kilo Rindfleischs erzeugt etwa 12 Kilogramm CO2. Auch die Struktur des 3D-gedruckten Steaks könnte dazu beitragen, den Fleischkonsum weiter zu reduzieren – denn 3D-Drucker können die Faserstruktur echten Fleisches besser imitieren als bestehende Ersatzprodukte und somit eine fast gleichwertige Alternative schaffen.

Neben dem Fleischersatz findet der Lebensmittel-Druck auch etliche andere Anwendungsmöglichkeiten: So können Konditoreien Schokolade und Marzipan in außergewöhnliche Formen bringen, während Fast-Food-Ketten die Produktion gedruckter Hamburger planen – durch die längere Haltbarkeit würden hierbei sogar Lebensmittelabfälle reduziert werden. Außerdem kann püriertes Essen mithilfe von 3D-Druck in eine ansprechende Form gebracht und sogar mit individuellen Nährstoffen versetzt werden, was für Menschen mit bestimmten Krankheiten ein großer Vorteil sein kann.

Medizin

Aufgrund der hohen Individualisierbarkeit bietet 3D-Druck die Möglichkeit, passgenaue Prothesen und Implantate für Patienten herzustellen. Durch die vergleichsweise geringen Kosten, die schnelle Produktionszeit und die Unabhängigkeit von ärztlichen Infrastrukturen können sogar Menschen in Entwicklungsländern und Kriegsgebieten mit gedruckten Prothesen versorgt werden. Darüber hinaus arbeiten Unternehmen bereits an Methoden, um menschliche Organe und Haut mit additiven Verfahren herzustellen.

Bauen

Auch die Art zu bauen könnte sich in Zukunft verändern. Mehrere Projekte haben schon bewiesen, dass 3D-gedruckte Häuser möglich sind. Besonders interessant ist hierbei die Bauweise mit lokal verfügbaren Materialien, wie beispielsweise das ökologische Dorf von WASP zeigt. Hier nutzt ein riesiger 3D-Drucker ein Material aus Erde, Stroh und Wasser und trägt dieses Schicht für Schicht auf, bis ein fertiges Haus entsteht. Das erspart nicht nur den Einsatz herkömmlicher Baumaterialien und deren Transport, sondern auch Kosten und Energie. Für Menschen in Entwicklungsländern könnte dies eine nachhaltige Möglichkeit zum Hausbau sein. Das Pilotprojekt mit dem Namen Shamballa berücksichtigt außerdem den Aspekt der Selbstversorgung, indem vor Ort auch Haushalts- und Einrichtungsgegenstände sowie medizinische Produkte gedruckt werden können.

Vorteile

Die vielfältigen Anwendungsbeispiele verdeutlichen die wesentlichen Vorteile des 3D-Drucks:

  • Ressourceneffizienz, Nutzung von Recyclingmaterialien
  • Dezentralisierung der Produktion, Reduktion von Transportwegen und Unabhängigkeit von globalen Lieferketten
  • Individualisierung, Bedarfsanpassung statt Über- oder Massenproduktion
  • Schnelle und kostengünstige Produktion von Ersatzteilen: Reparatur ermöglicht eine längere Lebensdauer von Produkten

Risiken

Trotz vieler Vorteile bergen neue Technologien natürlich immer auch Risiken. Zunächst gibt es noch wenig Regulierung für den Einsatz von 3D-Druckern – diese könnten also nicht nur für positive Zwecke genutzt werden. So waren bereits Druckvorlagen für Waffen offen im Internet verfügbar. Weiterhin wird befürchtet, dass durch die dezentrale Produktion Umweltstandards umgangen werden könnten, da Kontrollen schwieriger werden. Trotz der Chancen in puncto Nachhaltigkeit könnte 3D-Druck auch zu negativen ökologischen Entwicklungen führen: Einerseits, indem die einfache und spontane Produktion aller möglichen Produkte zu einem schnelllebigem Konsum führt und die „Wegwerfgesellschaft“ noch weiter intensiviert. Andererseits, indem durch die neue Produktauswahl der Konsum generell ansteigt und dadurch auch mehr Energie- und Ressourcenbedarf entsteht.

Entscheidend für die Ökobilanz ist vor allem, welche Materialien verwendet werden. Werden knapper werdende Metalle oder herkömmliche Kunststoffe statt Bio- oder Recyclingalternativen eingesetzt, trägt dies weiter zu bestehenden Umweltproblematiken bei. Auch die direkten Umweltauswirkungen des 3D-Drucks sollten nicht unterschätzt werden: Vor allem besteht ein hoher Energiebedarf, doch auch Belastungen mit Feinstaub und Nanopartikeln sind möglich. Die Auswirkungen hängen stark vom verwendeten Verfahren, der Energiequelle und der Auslastung des Gerätes ab.

Fazit

Die vielfältigen Anwendungs- und Individualisierungsmöglichkeiten sowie die dezentrale und kosteneffiziente Produktion machen den 3D-Druck zu einer vielversprechenden Zukunftstechnologie. Wichtige Voraussetzungen sind jedoch der Einsatz nachhaltiger Materialien und die Langlebigkeit der erzeugten Produkte. Ein Szenario, in dem unabhängig vom tatsächlichen Bedarf ständig neue (Wegwerf-)Artikel hergestellt werden, muss verhindert werden. Nur dann kann die Nutzung von 3D-Druckern zukünftig eine gute Chance für mehr Nachhaltigkeit darstellen – sowohl für Unternehmen als auch für jeden zu Hause.


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